Allgemeine Einblicke

Individuelles Verständnis spiegelt breite Themenvielfalt wider

Auf die Frage, was D&I für sie als Individuen bedeutet, gaben die Befragten Chancengleichheit am häufigsten an (65,2 %). Es folgen Akzeptanz (58,1 %) und Respekt (50,1 %). Die Top-3-Liste umfasst Themen, die recht breit gefasst sind, was in einem Unternehmenskontext, in dem Karrieremöglichkeiten und Wachstum für die Mitarbeiter oft von zentraler Bedeutung sind, zu erwarten ist. Zudem neigen die Menschen, wenn sie mehrere bestimmte Begriffe zur Auswahl haben, dazu, die allgemeineren zu wählen. Spezifischere Themen wie Ethnie (20,1 %) und Geschlechtsidentität (18,7 %) werden gewählt, wenn sie auf einer persönlicheren Ebene von Bedeutung sind.

D&I ist noch kein zentraler Bestandteil der meisten Unternehmensstrategien

Nur 38 % stimmen voll und ganz zu, dass D&I Teil der Gesamtgeschäftsstrategie ihres Unternehmens ist. 41,2 % stimmen dem eher zu. Dies deutet darauf hin, dass D&I zunehmend ein relevantes Thema für die Unternehmensstrategie ist, allerdings gibt es große Unterschiede. Große Unternehmen (500 Mitarbeiter oder mehr) und junge Unternehmen (weniger als 19 Jahre alt) schneiden beispielsweise besser ab als der Durchschnitt. Große Unternehmen haben oft eine diversere Mitarbeiterstruktur und müssen daher darauf achten, die Zusammenarbeit und eine gute Unternehmenskultur zu fördern. Junge Unternehmen sind von Natur aus sensibler für das Thema und beziehen D&I von vornherein bewusster mit ein. Für viele Unternehmen steht D&I jedoch nicht ganz oben auf der Tagesordnung und wird oft erst nach Nachhaltigkeitsthemen wie beispielsweise Ethik, Menschenrechten oder Klimawandel angegangen.

Wahrgenommener Wert ist höher als tatsächliches Engagement und Handeln

Eine Mehrheit stimmt voll und ganz zu, dass ein diverses und inklusives Unternehmen auch ein leistungsfähigeres Unternehmen ist (60,1 %). Dies ist zwar sehr positiv, aber ein Blick auf das tatsächliche Engagement, die Prioritäten und die geschäftliche Relevanz zeigt ein anderes Bild. Nur 39,3 % der Befragten geben an, dass sich die Unternehmensleitung und die Mitarbeiter für die Schaffung eines inklusiven Umfelds einsetzen. Die Zahlen sind sogar noch niedriger für diejenigen, die sagen, dass dies einer der erklärten Werte/Prioritätsbereiche des eigenen Unternehmens ist (34,8 %) oder dass es geschäftskritisch ist (31,7 %). Außerdem geben 21,1 % an, dass D&I Organisationen und Geschäftsprozesse einschränken kann. Die Forschung zeigt, dass Unternehmen mit homogenen Gruppen effizienter sein können, wenn es darum geht, einfache Aufgaben schnell zu erledigen. Für Unternehmen, die darauf angewiesen sind, Kreativität und Innovation zu fördern und gute Geschäftsentscheidungen zu treffen, hat sich D&I als ein Vorteil erwiesen. Die meisten Unternehmen haben noch keinen geschäftlichen Nutzen aus ihren Bemühungen um D&I gezogen.

Treibende Kräfte sind in erster Linie interne

Die Anziehung und Bindung von Talenten sind für 57,8 % der Befragten ein sehr wichtiger Grund für die Umsetzung von D&I. Es folgen die Verbesserung der Unternehmenskultur (54,1 %) und die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit und des Wohlbefindens bei der Arbeit (50,8 %). Interne Gründe, die sich auf spezifische Anforderungen, Kultur, Mitarbeiterengagement und -zufriedenheit beziehen, stehen demnach an erster Stelle. Geschäftsrelevante Faktoren wie neue Geschäftsmöglichkeiten (36,7 %) und die Erhöhung des Marktanteils (28,6 %) sind eher am anderen Ende zu finden.
Dies verdeutlicht die unterschiedlichen Paradigmen von D&I. In der Vergangenheit lag der Fokus auf der Repräsentation, d. h. auf der Spiegelung der demografischen Struktur der Gesellschaft. Allerdings ist Repräsentation nicht unbedingt gleichbedeutend mit Inklusion. Die Forschung zeigt, dass wirklich motivierte und ausgereifte Unternehmen, die sich auf D&I konzentrieren, wertvolle Geschäftsergebnisse erzielen.

Die meisten Unternehmen befinden sich in der Anfangsphase 

Nur 7,3 % stufen den Reifegrad der Politik und des Konzepts ihres Unternehmens als führend ein. Dagegen sagen 18,8 %, dass sie am Anfang stehen, während 33,1 % den Reifegrad als fortschreitend bezeichnen. Während D&I auf der Unternehmensagenda immer weiter nach oben zu rücken scheint, haben die meisten Unternehmen ihre Umsetzung von D&I gerade erst begonnen.

Nur wenige haben unternehmensweite Richtlinien und Kennzahlen festgelegt

Nur 31,1 % haben eine Unternehmenspolitik im Bereich von D&I festgelegt. Bezieht man diejenigen mit ein, deren Politik sich auf ein Pilotprojekt oder eine einzelne Initiative beschränkt, steigt die Zahl auf 51,9 %. Dies deutet darauf hin, dass der Schwerpunkt eher auf einzelnen Initiativen als auf einem ganzheitlichen Unternehmensansatz liegt. 

Was in den D&I-Politiken der Unternehmen enthalten ist, spiegelt den selbst eingeschätzten Reifegrad wider. Die meisten Unternehmen machen Fortschritte, und der Schwerpunkt scheint auf Grundsätzen und Zielen (41,8 %) sowie Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten (36,8 %) zu liegen. Weniger Unternehmen konzentrieren sich auf gezielte Maßnahmen und Kennzahlen.  

Nur wenige wenden strukturierte Messungen und Kennzahlen an. Nur 21,5 % haben insgesamt Unternehmensziele festgelegt, während 17,1 % Ziele für Pilotprojekte oder einzelne Maßnahmen gesetzt haben. Der Prozentsatz, der Leistungsindikatoren für D&I-Initiativen festlegt, ist sogar noch geringer. Zu Beginn eines Prozesses ist die Festlegung von Leistungsindikatoren oft nicht der erste selbstverständliche Schritt. Um jedoch den Reifegrad und den Fortschritt zu verbessern, sind Messungen und Kennzahlen für einen strukturierten Ansatz und Fortschritt unerlässlich.

D&I ist oft Teil der Personalabteilung 

In 28,2 % der Unternehmen liegt die Verantwortung für D&I bei der Personalabteilung (HR). Danach folgt die oberste Führungsebene, z. B. der Vorstandsvorsitzende oder Geschäftsführer, die Geschäftsleitung und der Vorstand. Nur sehr wenige Unternehmen haben eine eigene Abteilung für D&I-Programme (2,0 %).  Die Verantwortung für D&I wird am häufigsten an die Leitung der Personalabteilung delegiert (32,4 %), gefolgt vom CEO oder Geschäftsführer (23,2 %). Interessant ist, dass 14,2 % der Befragten angaben, dass es in ihrem Unternehmen keine klare Führungspersönlichkeit für D&I-Bemühungen gibt, und 25,9 % wussten es nicht. Allgemein scheint die Auffassung vorzuherrschen, dass D&I in die Verantwortung der Personalabteilung fällt. Damit ein Thema zum Schwerpunkt in einem Unternehmen und auf der Unternehmensagenda wird, ist es allerdings von entscheidender Bedeutung, dass es die Führungsebene übernimmt.

Die meisten Unternehmen sind weit davon entfernt, geschäftliche Vorteile zu erzielen

Die wichtigsten Vorteile einer strukturierten Umsetzung betreffen vor allem die Unternehmenskultur, die Rekrutierung, die Zufriedenheit und das Engagement. Eine verbesserte Unternehmenskultur führt die Liste an (58,3 %). Es folgen eine bessere Fähigkeit, Talente anzuziehen und zu halten (56,5 %), ein besserer Ruf des Unternehmens (51,3 %) und eine Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit und des Arbeitsumfelds (49,7 %). Der geschäftliche Nutzen wird wiederum geringer bewertet, was unterstreicht, dass die meisten Unternehmen diese beiden Aspekte noch nicht miteinander verknüpft haben. Die Entwicklung und Anwendung eines Systemansatzes auf der Grundlage von definierten Rahmenwerken, Instrumenten und Normen, wie der kürzlich entwickelten ISO 30415, bietet den Unternehmen eine große Chance, Fortschritte zu erzielen.

Nur eingeschränkte öffentliche Kommunikation zu D&I

Wenn es darum geht, Informationen über D&I-Ziele öffentlich zu kommunizieren, tun dies nur 26,9 %. Die Mehrheit ist nicht aktiv, wobei 47,7 % der Unternehmen überhaupt nicht kommunizieren und 25,3 % der Befragten einfach nicht wissen, was ihr Unternehmen tut.
Um D&I wirklich mit dem Geschäft, den kommerziellen Aspekten und dem Branding zu verbinden, wird empfohlen, die D&I-Berichterstattung in den allgemeinen Berichtsrahmen eines Unternehmens zu integrieren und sie wirklich in die betriebliche Perspektive einzubeziehen. Der gewählte Unternehmensansatz spiegelt oft wider, ob D&I als Belastung oder als Wert angesehen wird.

Personalgewinnung und externes Markenimage sind die größten Risiken

Das größte Risiko für Unternehmen, die D&I nicht berücksichtigen, besteht darin, bei der Gewinnung und Bindung von Talenten ins Hintertreffen zu geraten (51 %). An zweiter Stelle steht das Risiko, mit den Erwartungen der Gesellschaft nicht Schritt halten zu können (47,1 %), gefolgt von der externen Reputation (43,5 %). An vierter Stelle steht die Nichteinhaltung rechtlicher Anforderungen mit 40,9 %. 
Es scheint einen starken externen, gesellschaftlichen Druck zu geben, sich für D&I zu engagieren, wohingegen die geschäftlichen Risiken weniger stark bewertet werden. Dies könnte auf die Medienaufmerksamkeit und verschiedene Bewegungen wie #MeToo und #BlackLivesMatter zurückzuführen sein. Weniger Beachtung findet die Verknüpfung von D&I mit geschäftlichen Aspekten wie Innovation und Produktivität.

Keine einzelne Maßnahme oder Herausforderung sticht hervor

Die meisten Unternehmen haben eine Anlaufstelle für Hilfe und Beschwerden eingerichtet (44 %). Es folgen die Rekrutierung diverser Kandidaten (38,6 %) und ein fairer Zugang und Chancengleichheit bei der Mitarbeitermobilität (35,6 %). Wenn es um die wichtigsten Herausforderungen geht, die Unternehmen am Handeln hindern, sticht kein einziger Punkt besonders hervor. Ganz oben auf der Liste stehen die Unternehmenskultur (32,8 %) und das Fehlen eines systematischen Ansatzes (30,8 %). Es folgen der Mangel an Wissen, mangelndes Engagement von Management und Führungskräften sowie fehlende Ausbildung. Interessanterweise ist ein fehlendes Budget für die meisten (13,5 %) keine zentrale Herausforderung. Es ist selten, dass ein fehlendes Budget einen so niedrigen Wert hat. Das Fehlen eines systematischen Ansatzes könnte mit dem niedrigen Reifegrad der Unternehmen und der Konzentration auf einzelne Projektmaßnahmen zusammenhängen.

Geringe Bekanntheit von D&I-Standards

Die meisten Befragten sind mit den ISO- oder anderen D&I-Normen nicht vertraut. Nur 1,6 % geben an, dass sie diese sehr gut kennen, während 16,5 % sie zumindest in einem gewissem Maß kennen. Insgesamt 72,8 % geben an, nur begrenzt oder gar nicht damit vertraut zu sein. Die ISO 30415 wurde 2021 veröffentlicht und ist somit noch nicht lange verfügbar. Die Umsetzung solcher internationalen oder nationalen Normen bietet jedoch eine beträchtliche Chance für Unternehmen, Herausforderungen wie das Fehlen eines systematischen Ansatzes, bewährter Verfahren und des Engagements von Management und Führungskräften zu bewältigen.

Verbessertes Verständnis als Vorteil

Die meisten glauben, dass D&I-Schulungen (43,8 %) sie am besten dabei unterstützen würden, ihre Bemühungen um D&I zu verbessern. Danach folgt ein Instrument zur Durchführung einer Selbstbewertung (33,9 %), während nur 16,1 % angaben, Bewertungen von Experten einzuholen oder Praktiken auf der Grundlage des Standards ISO 30415 umzusetzen. Dies könnte darauf hindeuten, dass unternehmenskulturbezogene Aspekte bei den Fragen zu Risiken und Herausforderungen einen hohen Stellenwert hatten und dass sich die Unternehmen noch in einem frühen Stadium ihrer Entwicklung von D&I befinden. Der erste Schritt besteht oft darin, Schulungen zu unbewussten Vorurteilen durchzuführen. Die Forschung zeigt, dass dies nicht ausreichend ist. Sie müssen von strukturierten Prozessen und Praktiken begleitet werden, um erfolgreich zu sein. Schulungen und Selbsteinschätzungen sind zwar ein guter Anfang, doch müssen weitere strukturierte Prozesse und Maßnahmen folgen, damit die Unternehmen Fortschritte machen können.

Erwartung, dass der gesellschaftliche Druck zunehmen wird

Die Befragten glauben, dass der Fokus auf D&I in der Gesellschaft als Ganzes insgesamt zunehmen wird (65,5 %), während insgesamt 55,5 % glauben, dass er in ihrem Unternehmen zunehmen wird. Die Befragten erwarten, dass der größte Anstoß von der Gesellschaft, dem Unternehmen und den Mitarbeitern ausgehen wird. Bislang gibt es noch keine eindeutigen Impulse aus der Industrie, und die meisten Unternehmen sehen noch nicht den geschäftlichen Nutzen. Für Unternehmen, die diesen Zusammenhang erkennen, besteht eine große Chance, sich weiterzuentwickeln. Solche Unternehmen können von Standards wie der ISO 30415 profitieren, die auf bewährten Praktiken beruht und einen Rahmen von Anforderungen bietet. Dies kann helfen, die Kommunikation anzugleichen, Lücken zu bewerten, die richtigen Maßnahmen zu entwickeln und die Leistung zu messen.