Überblick

Diversität und Inklusion (Diversity and Inclusion; D&I) werden zunehmend als Anforderung an die Geschäftskontinuität angesehen. In der aktuellen ViewPoint-Befragung wurde untersucht, welche Einstellung Unternehmen in Bezug auf D&I einnehmen und wie sie daran arbeiten, ihre Ziele zu erreichen. Die meisten Organisationen geben an, dass D&I ein wichtiger Teil ihrer Strategie ist, aber die Umfrage zeigt auch, dass die meisten Unternehmen noch am Anfang ihrer Entwicklung im Bereich D&I stehen. Die Unternehmen verwenden unterschiedliche Bezeichnungen für dieses komplexe Thema. 

In anerkannten Reports und Studien, wie denen des WBSCD und von McKinsey, wird der Begriff Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (Diversity, Equity and Inclusion) verwendet, für die Zwecke dieser Studie wurde jedoch der Begriff Diversität und Inklusion (Diversity and Inclusion, D&I) gewählt. Die Forschung zeigt, dass Organisationen mit homogenen Gruppen effizienter sein können, wenn es darum geht, einfache Aufgaben schnell zu erledigen. Diverse Teams sind in der Lage, komplexe Probleme schneller zu lösen, können aber auch schwieriger zu führen sein. Daher ist es wichtig, für psychologische Sicherheit zu sorgen, um einen hohen intellektuellen Austausch und geringe soziale Reibung zu erreichen. Für Unternehmen, die darauf angewiesen sind, Kreativität und Innovation zu fördern und gute Geschäftsentscheidungen zu treffen, hat sich D&I als Vorteil erwiesen. 

Die meisten der befragten Unternehmen haben noch keinen geschäftlichen Nutzen aus ihren D&I-Bemühungen gezogen, aber angesichts der zunehmenden Vorteile von D&I, ergreifen die Unternehmen konkrete Maßnahmen, um sie in ihre Strategien, Abläufe und Kulturen zu integrieren. Auf die Frage, was D&I für sie als Individuum bedeutet, nannten die Befragten am häufigsten Chancengleichheit (65,2%), gefolgt von Akzeptanz (58,1%) und Respekt (50,1%). Es fällt auf, dass die Befragten dazu neigen, im Unternehmenskontext eher breiter gefasste Begriffe zu wählen. Dagegen verwenden sie spezifische Begriffe wie Ethnie und Geschlechtsidentität, wenn sie auf einer persönlicheren Ebene von Bedeutung für sie sind.

Ein fragmentierter Ansatz

Auf Unternehmensebene geben die meisten Unternehmen an, dass D&I wichtig und Teil ihrer Unternehmensagenda ist, aber nur wenige berichten über die Umsetzung konkreter Maßnahmen in strukturierter Form. Nur 7,3 % betrachten sich selbst als führend. Weniger als eines von drei Unternehmen hat eine unternehmensweite Politik festgelegt, aber mehr als die Hälfte (51,9 %) konzentriert sich auf ein Pilotprojekt oder einzelne Initiativen, was eher auf einen fragmentierten als auf einen ganzheitlichen Unternehmensansatz hinweist.
Die meisten Unternehmen machen jedoch Fortschritte. Der Schwerpunkt scheint auf Grundsätzen und Zielen (41,8 %) sowie Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten (36,8 %) zu liegen. Weniger Unternehmen konzentrieren sich auf gezielte Maßnahmen und Messgrößen. Zu Beginn einer Entwicklung sind Kennzahlen oft nicht der natürliche erste Schritt. Um den Reifegrad und den Fortschritt zu verbessern, sind Messungen und Metriken jedoch für einen strukturierten Ansatz und Fortschritt unerlässlich. 

Es scheint allgemein üblich zu sein, dass D&I in den Zuständigkeitsbereich der Personalabteilung (HR) fällt. Damit das Thema zum zentralen Bestandteil eines Unternehmens und der Geschäftsagenda wird, muss die oberste Führungsebene jedoch die Verantwortung übernehmen. Die Umfrage zeigte, dass 14,2 % der Unternehmen angaben, dass es in ihrer Organisation keine klare Führungsperson für D&I-Bemühungen gibt, und ein Viertel der Befragten wusste nicht, wie das Thema in ihrer Organisation gehandhabt wird.

Nach dem derzeitigen Ergebnis scheint der Wunsch, Talente anzuziehen und zu halten (51 %), gefolgt von gesellschaftlichem Druck und Reputation, die wichtigsten Faktoren für die Verbesserung von D&I in einem Unternehmen zu sein.  An vierter Stelle steht mit 40,9 % die Nichteinhaltung rechtlicher Anforderungen. Dies könnte auf die Medienaufmerksamkeit und verschiedene Bewegungen wie #MeToo und #BlackLivesMatter zurückzuführen sein. Es bedeutet auch, dass der Zusammenhang zwischen D&I und geschäftlichen Aspekten wie Innovation und Produktivität aktuell noch weniger Bedeutung zugemessen wird. 

Systematischer Ansatz und Kulturwandel erforderlich

Die Unternehmen haben offenbar ein breites Spektrum von Maßnahmen ergriffen, die in erster Linie durch interne Faktoren wie Kultur, Einstellung und Chancengleichheit bedingt sind. Dies spiegelt sich auch weitgehend in den Hindernissen für Verbesserungen wider. Auffallend ist, dass eines von drei Unternehmen das Fehlen eines systematischen Ansatzes als wesentliches Hindernis zu erkennen scheint. 
Allerdings ist der Bekanntheitsgrad von ISO- und anderen D&I-Normen unter den Befragten sehr gering. Dies könnte daran liegen, dass die führende Norm ISO 30415 erst im Jahr 2021 veröffentlicht wurde. Insgesamt 72,8 % gaben an, nur wenig oder gar nicht damit vertraut zu sein, und nur 1,6 % sagten, sie seien sehr vertraut.

Gelegenheit zur Verbesserung

Es gibt also eine erhebliche Chance für Unternehmen, Herausforderungen wie das Fehlen eines systematischen Ansatzes, bewährter Verfahren und des Engagements von Management und Führung anzugehen, indem sie sich auf internationale Normen wie die ISO 30415 als Grundlage für ihren Ansatz stützen. Dies würde einen systematischen Ansatz ermöglichen und dazu beitragen, eine Struktur für ihre Strategie und Ziele zu schaffen, einschließlich der Festlegung von Zielvorgaben und der Leistungsmessung.

Um D&I wirklich mit geschäftlichen Abläufen, den kommerziellen Aspekten und dem Markenaufbau zu verknüpfen, wird empfohlen, D&I-Strategien und -Initiativen in die allgemeine Geschäftsstrategie und den Berichtsrahmen eines Unternehmens zu integrieren und sie in die betriebliche Perspektive einzubeziehen. Der gewählte Unternehmensansatz spiegelt häufig wider, ob D&I als Wert oder als Belastung, als Wettbewerbsvorteil oder als reine Augenwischerei angesehen wird.