Parlamentarischer Abend 2024 von DNV und VDR in Berlin

Wettlauf um grüne Energie: Wie die Schifffahrt ihre Dekarbonisierungsziele erreichen kann

Politik und Wirtschaft diskutieren Wege aus dem Henne-Ei-Dilemma

Der sechste Parlamentarische Abend von DNV in Berlin widmete sich der Dekarbonisierung der Schifffahrtsbranche. In Kooperation mit dem Verband Deutscher Reeder (VDR) diskutierte ein hochkarätiges Panel vor über 100 Gästen die Frage: „Alternative Treibstoffe im Wettbewerb – woher kommt die Energie für Schiffe in der Zukunft?“

Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Verbänden waren sich einig, dass die Energiewende in der Schifffahrt nur durch ein abgestimmtes Zusammenspiel von Reedereien, Häfen, dem Energiesektor und der Politik gelingen kann. Entscheidend dafür seien verlässliche politische Rahmenbedingungen, die der Wirtschaft Planungssicherheit bieten.

Dr. Gaby Bornheim, Präsidentin des VDR, appellierte an die Politik, konstruktiv zusammenzuarbeiten, und unterstrich die Bereitschaft der Reedereien, die Dekarbonisierung der Schifffahrt aktiv voranzutreiben

„Der Wettbewerb um erneuerbare Energien ist weltweit entbrannt“, sagte Dr. Gaby Bornheim, Präsidentin des VDR, in ihrer Eröffnungsrede. Sie forderte für Deutschland mehr konstruktive Ideen und gemeinsame Lösungen statt parteipolitischem Taktieren. Die Schifffahrt stehe bereit, ihren Beitrag auf dem Weg zur Klimaneutralität zu leisten, so Bornheim, doch die flächendeckende Verfügbarkeit alternativer Brennstoffe bleibe eine zentrale Herausforderung.

Da die Schifffahrt im globalen Wettbewerb um kohlenstoffarme Brennstoffe voraussichtlich nicht die benötigten Mengen sichern könne, seien verstärkte Bemühungen zur Energieeffizienz unverzichtbar, erklärte Dr. Pierre C. Sames, Direktor Strategische Entwicklung, DNV Maritime. In seinem Impulsvortrag präsentierte er Ergebnisse aus DNVs Energy Transition Outlook und hob hervor, dass Wasserstoff – insbesondere als Basis für synthetische Kraftstoffe – eine Schlüsselrolle für schwer elektrifizierbare Transportsektoren spielen werde. Der Ausbau verlaufe jedoch langsamer als prognostiziert, was auf das Fehlen langfristiger Abnahmeverträge und geringere als erwartete Kostensenkungen in der Produktion zurückzuführen sei.

Dr. Pierre C Sames, Direktor Strategische Entwicklung, DNV Maritime, stellte Schlüsselergebnisse aus DNVs Energy Transition Outlook vor
Dr. Pierre C Sames, Direktor Strategische Entwicklung, DNV Maritime, stellte Schlüsselergebnisse aus DNVs Energy Transition Outlook vor

Die anschließende Paneldiskussion, moderiert von Anne Moschner, Direktorin für Kommunikation und Marketing bei DNV Maritime, fokussierte sich auf die Schaffung von Leitmärkten und mögliche Lösungen für das Henne-Ei-Problem.

Lukas Benner, MdB, Bündnis 90/Die Grünen, betonte, dass die Politik stabile Nachfrage- und Angebotsmärkte für alternative Brennstoffe fördern müsse, ohne dabei technische Lösungen vorzuschreiben. Dieses Vorgehen stelle ein Dilemma dar, da verhindert werden müsse, dass Häfen auf falsche Technologien setzen. „Klar ist, dass Deutschland auf Energieimporte angewiesen sein wird und Häfen die Rolle zentraler Energiehubs übernehmen müssen“, so Benner.

Thomas Heilmann, MdB, CDU/CSU, vertrat die Ansicht, dass die Marktwirtschaft das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage selbst regeln werde. Eine globale Skalierung sei jedoch entscheidend. Hier könne die Politik unterstützen: „Innerhalb der G7 und G20 sollten wir uns auf Leitmärkte für die Brennstoffe der Zukunft verständigen.“

Nikolaus H. Schües, Partner i. Fa. F. Laeisz, Mitglied des Präsidiums des VDR und Präsident von BIMCO, hob aus Sicht der Reeder hervor, dass die Nachfrage nach alternativen Brennstoffen enorm sein werde. Dank des globalen Regulators IMO habe die Schifffahrt gute Chancen, einheitliche und skalierbare Brennstoffmärkte zu schaffen. „Ich rechne jedoch nicht damit, dass Reeder selbst in die Produktion einsteigen“, erklärte Schües. Schon jetzt müsse man kostenintensive Wetten mit unklarem Ausgang eingehen. „Daher setzen wir bei Laeisz auf LNG, da es bereits verfügbar ist.“ Während Methanol und Ammoniak langfristig aussichtsreich seien, dürfe die Branche aber auch Technologien wie Onboard Carbon Capture nicht außer Acht lassen, so Schües.

Nina Scholz, Country Manager Germany bei Equinor Deutschland GmbH, sagte, dass der Aufbau einer Wertschöpfungskette für alternative Brennstoffe wie Methanol und Ammoniak eine enge Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Häfen und der Schifffahrt erfordere. Das Henne-Ei-Problem zwischen Infrastrukturaufbau und Nachfrage sei angesichts der milliardenschweren Investitionen jedoch schwierig zu lösen. Pilotprojekte wie Northern Lights in Norwegen zeigten jedoch praktikable Ansätze von Innovation und Kooperation. Dabei wird Kohlenstoffdioxid, etwa aus der Ammoniakproduktion, mit flüssiggasbetriebenen und windrotorunterstützten Spezialtankschiffen zu einer CO2-Speicheranlage transportiert und dauerhaft im Erdreich gespeichert.

Podiumsdiskussion (v. r. n. l.): Moderatorin Anne Moschner, Direktorin Kommunikation und Marketing, DNV Maritime; Nikolaus H. Schües, Partner i. Fa. F. Laeisz, Mitglied des Präsidiums VDR und Präsident BIMCO; Nina Scholz, Country Manager Germany, Equinor Deutschland GmbH; Dr. Wibke Mellwig, Abteilungsleiterin Wasserstraßen und Schifffahrt im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV); Thomas Heilmann, MdB, CDU/CSU; Lukas Benner, MdB, Bündnis 90/Die Grünen

Podiumsdiskussion (v. r. n. l.): Moderatorin Anne Moschner, Direktorin Kommunikation und Marketing, DNV Maritime; Nikolaus H. Schües, Partner i. Fa. F. Laeisz, Mitglied des Präsidiums VDR und Präsident BIMCO; Nina Scholz, Country Manager Germany, Equinor Deutschland GmbH; Dr. Wibke Mellwig, Abteilungsleiterin Wasserstraßen und Schifffahrt im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV); Thomas Heilmann, MdB, CDU/CSU; Lukas Benner, MdB, Bündnis 90/Die Grünen

Abschließend appellierte Dr. Wibke Mellwig, Abteilungsleiterin Wasserstraßen und Schifffahrt im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), die maritime Industrie stärker in den öffentlichen Fokus zu rücken, da sie in Deutschland häufig im Schatten der Automobil- und anderer Branchen stehe. Sie plädierte dafür, internationale Regelungen durch Initiativen wie den Nationalen Aktionsplan klimafreundliche Schifffahrt (NAPS) zu ergänzen. „Ein breiter Stakeholderprozess, der Schiffbau, Reeder, Technologieunternehmen und Länder einbindet, ist essenziell, um Fortschritte zu erzielen.“ Mellwig betonte, dass die erarbeiteten Vorschläge unabhängig von der künftigen Regierungszusammensetzung berücksichtigt werden sollten.

Die Panelteilnehmer stimmten überein, dass die Dekarbonisierung der Schifffahrt nicht zum Nulltarif zu bewältigen sei. „Die Kosten werden letztlich auf die Endkunden umgelegt werden müssen“, stellte Nikolaus H. Schües klar. Dennoch bleibe die Schifffahrt mit ihrem Anteil von 90 Prozent am globalen Warentransport – bei gleichzeitig 2,7 Prozent Anteil am globalen CO2-Ausstoß – auch künftig hocheffizient und kostengünstig, prognostizierte er.